Der Heilige Nikolaus

Heute basteln wir unsere Schiffchen, denn heute Nacht kommt der Heilige Nikolaus und bringt uns Gaben. Ich habe mich besonders gut Verhalten in diesem Jahr. Hoffentlich erhalte ich dafür auch etwas schönes. Ich würde mich über ein neues Halstuch sehr freuen oder eine dieser leckeren Mandarinen. Auf die freue ich mich jedes Jahr aufs neue seid Vater sie einmal von seinen Reisen mitgebracht hat. Und darauf freue ich mich am meisten. Heute Abend soll sein Schiff am Hafen einlaufen. Mutter und ich werden ihn von dort abholen. Vorher bereiten wir das Essen vor, denn Vater wird sehr hungrig sein und vorher wird er mir auch keine Geschichten aus der weiten Welt erzählen.

Mutter ist immer so aufgeregt und schubst mich durch die Gegend. Ich soll ja keine meiner Puppen rumliegen lassen, sonst wird Vater böse. Und die Blumen soll ich auch wegstellen, weil sie schon so verwelkt sind. Gestern hat sie schon die Fenster geputzt und neue Vorhänge angehangen. Dabei musste ich ihr auch helfen. Leider fällt durch diesen Trubel den Mutter macht, meine Lesestunde auf. Natürlich darf ich nicht zur Schule gehen. Ich lerne zu Hause. Vater hat Mutter das lesen beigebracht, damit sie es mir beibringen kann. Genau wie das Rechnen und Schreiben. Ich bin eines der wenigen Mädchen in unserem Bekanntenkreis, die dies beherrscht. Und ich bin sehr stolz drauf. So kann ich jeden Brief, den Vater mir von seinen Reisen schickt selbst lesen. Nun gut. Manchmal benötige ich die Hilfe von Mutter, aber das macht mir nichts aus. Schließlich lerne ich noch. Das Rechnen kann ich auch schon ziemlich gut.

Nun jedenfalls hilft mir Mutter mit dem basteln des Schiffchen, welches ich über Nacht vor unsere Haustür stelle. Und morgen in der Frühe werde ich nachsehen, was für eine tolle Gabe der Heilige Nikolaus mir dieses Jahr gebracht hat. Während Mutter mir zeigt wie ich das Schiffchen richtig falte steigt Rauch zu uns ins Zimmer. Mutter springt ganz eilig auf und läuft schnell zum Ofen. Dort gart ein leckerer Braten für heute Abend. Anscheinden war das Feuer etwas zu groß, aber das Essen scheint nicht verbrannt zu sein. Andernfalls würde Mutter schon auf dem Weg aus dem Haus richtung Markt sein um etwas neues zu besorgen. Das Verkohlte lassen wir meist für unsere Haushaltshelfer, wie Mutter sie immer nennt, übrig. Die scheinen sich immer zu freuen wenn sie nach der Arbeit noch etwas zu essen bekommen. Allerdings sind sie heute nicht im Haus. Wenn Vater zurück kommt, gibt Mutter ihnen immer frei. Dann räumt sie die letzten Sachen selber weg oder macht selber das essen. Sonst haben wir dafür eine Küchenhilfe, die uns meist das Essen kocht. Mutter hilft ihr aber meistens dabei, da sie das wirklich gern tut und weiß, wie wir am liebsten essen. Die Wäsche hat gestern noch Amelie gemacht. Sie ist noch ziemlich jung und macht auch viele andere Sachen im Haus. Sie darf sogar manchmal mit mir lesen.

Das Schiffchen ist inzwischen fertig und auch die Sonne senkt sich immer weiter dem Horizont entgegen. Mutter macht noch irgendwas mit dem Braten und ich darf in der Zeit bis wir zum Hafen laufen noch mit meiner Lieblingspuppe spielen. Mutter hat mir erst ein neues Kleid für sie genäht. Morgen werde ich es Amelie zeigen, wenn sie Zeit hat mit mir zu spielen. Und bald will Mutter mir auch zeigen, wie ich selber die Kleider nähen kann. Darauf freue ich mich schon sehr.

Als Mutter in mein Zimmer kommt weiß ich sofort, dass es Zeit ist los zu gehen. Wir ziehen uns die Mäntel über, da es draußen schon sehr kalt ist und am Hafen wird es noch viel kälter. Mutter hält mich den ganzen Weg bei der Hand, weil sie Angst hat ich könnte weglaufen. Dabei würde ich niemals weglaufen. Ich halte mich an ihrer Hand fest, weil ich Angst habe, ich könnte sie irgendwie verlieren zwischen all den Menschen. Oder jemand könnte mich einfach so mit sich nehmen. Bei diesem Gedanken laufe ich noch näher an Mutter heran. Da fühle ich mich deutlich sicherer.

Am Hafen angekommen, sehe ich viele andere Frauen mit ihren Kindern, die auf ihre Männer und Väter warten. Alle schauen gespannt Richtung Meer. Es ist leider ziemlich nebelig, weshalb man nicht sehr weit blicken kann. Aus dem Nebel kommt jetzt aber ein großes Schiff heraus. Genau dasselbe Schiff mit dem Vater vor Monaten weggesegelt ist. Wir sind genau zum richtigen Zeitpunkt am Hafen angekommen. Langsam erkenne ich im Nebel Menschen, die an der Reling stehen und Richtung Hafen blicken. Irgendwo ist dort auch Vater dabei. Mein Vater ist ein sehr wichtiger Wissenschaftler und Entdecker. Er findet immer neue und spannende Sachen auf seinen Reisen und er zeigt sie mir immer, wenn er nach Hause kommt. Dann erklärt er mir auch was es damit auf sich hat. Er hat mir sogar erklärt wie ein Schiff aufgebaut ist und wieso es schwimmt, nachdem ich ihn gefragt hate, warum sie nicht im Meer ertrinken. Es ist für mich irgendwie immer noch ein kleines Wunder, dass er jedes Mal wieder nach Hause kommt. Ich bin schon sehr gespannt, was er dieses Mal entdeckt hat. Vielleicht eine neue Tierart oder ein eine Pflanze, die er mir gepflückt und mitgebracht hat, damit ich sie mir in Ruhe ansehen kann

Das Schiff ist inziwschen schon ziemlich nahe am Steg und die Männer an Deck sind sehr beschäftgt. Die, die an der Reling stehen, winken in unsere Richtung. Ich glaube ich kann Vater auch schon erkennen. Also das Schiff endlich angelegt hat und die Besatzung von Bord geht, sehe ich meinen Vater und ziehe Mutter an der Hand, um ihr zu zeigen wo er ist. Sie hat auch schon ein Lächelt im Gesicht. Sie hat ihn wohl schon vor mir entdeckt. Vater sieht allerdings etwas seltsam aus. Seine Haut ist bräunlich. Ich glaube seine Reise ging dieses Mal nach Australien oder so ähnlich. Dort ist es wohl sehr warm, hatte Vater mir vor seiner Abreise erzählt. Oder heiß es anders? Auf jeden Fall beginnt es mit einem A.

Nachdem wir Vater begrüßt haben, ich mit einer Umarmung, bei der er mich auf den Arm nahm und Mutter mit einem Kuss auf die Wange, gehen wir wieder Richtung Zuhause. Einige Männer folgen uns und tragen schwere Koffer und Taschen, in denen sich Vaters Forschungen verstecken. Ich bin schon gespannt was ich dort morgen alles drin entdecken werde.

Zu Hause angekommen, bewundert Vater mein wirklich gelungenes Papierschiffchen und sagt, dass der Nikolaus daran ganz sicher nicht vorbei gehen wird. Drinnen serviert uns Mutter das Essen und es riecht genauso gut wie es schmeckt. Das findet Vater auch und er fängt an von seinen Abenteuern zu erzählen. Leider muss ich irgendwann ins Bett, aber er verspricht mir, dass ich morgen noch ganz viel mehr zu hören bekomme.

Im Bett starre ich noch eine ganze Weile an die Wand und überlege ob ich wirklich etwas vom Nikolaus haben möchte. Denn eigentlich habe ich alles was ich brauche. Nun wenn er mir etwas bringen möchte freue ich mich natürlich, aber die andern, etwas ärmeren Kinder würden sich viel mehr über einen Apfel oder vielleicht auch ein Stück Kohle freuen.

Während meiner Gedanken muss ich irgendwann eingeschlafen sein, denn ich wache erst bei auf als die Sonne schon wieder scheint. Ich stehe schnell auf und schlüpfe in meine Pantoffeln. Ohne mir etwas anderes überzuziehen eile ich Richtung Haustür und öffne sie. Draußen ist es bitter kalt, aber in meinem Schiffchen liegt etwas. Eine kleine Gabe des Heiligen Nikolaus. Er hat mir Rosinenbrot und eine Mandarine dagelassen. Jeden Fall denke ich, dass es eine Mandarine ist. Sie scheint mir allerdings viel zu groß dafür. Das ist ja eher die Größe eines Apfels, aber trotzdem ist es orange und scheint eine Schale zu haben. Ich nehme bedei Sachen und husche schnell wieder ins Haus. In der Küche ist bereits Mutter damit beschäftigt das Frühstück zu bereiten. Ich gehe auf sie zu und zeige ihr die Gaben des Nikolaus. Sie hat leider auch keine Ahnung was das für eine seltsame Frucht sein soll, aber über das Brot freut sie sich sehr. Sie legt es direkt mit einem Messer auf den Tisch. Auch Vater kommt jetzt zu uns. Er sieht die Frucht in meiner Hand und scheint sich ausgesprochen zu freuen. Er sagt, dass es tatsächlich wie eine Mandarine ist, nur größer und nicht so süß. Das schreckt mich ab. Ich glaube ich will diese Frucht nicht probieren und überlasse sie ganz Vater. Als er sie allerdings schält und auseinander nimmt, riecht es so gut das ich es doch mal versuche. Oh ist das lecker. Der Nikolaus weiß wirklich was gut ist. Zu meinen Eltern sage ich, dass ich hoffe, die anderen Kinder der Stadt haben auch so etwas bekommen. Das wäre sonst reichlich ungerecht.

Nach dem Essen geht Vater mit mir in den Salo und ich frage ihn wie jedes Jahr, was er so alles über den Heiligen Nikolaus weiß. Leider kann er mir nie viel erzählen. Was ich bisher weiß ist, dass er aus einem ziemlich weit entfernten Land stammte und dort den armen Menschen sein Vermögen geschenkt hat, damit sie nicht verhungerten. Einmal hat er auch ein Schiff vor dem Versinken gerettet in dem er das Meer gebändigt hat. Deshalb ist er mir auch so wichtig. Er muss meinen Vater auf seinen Reisen beschützen. Dafür bin ich das gesamte Jahr über artig und mache das, was mir gesagt wird.

Später am Tag werden wir noch in die Kirche gehen und einen Gottesdienst zu ehren des Heiligen Nikolaus beiwohnen.

Später werde ich dann auch meinen Kinder all die Geschichten erzählen, die ich gehört habe. Vielleicht kann ich auch eines Tages mit Vater auf Reisen gehen und auf der ganzen Welt mein Wissen bereichern.

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