Es ist Heilig Abend. Endlich! Heute Abend kommt die ganze Familie zu uns und es gibt traditionell Würstchen mit Kartoffelsalat. Wir werden reden und Brettspiele spielen. Nebenher läuft die Weihnachtsmusik im Radio und der Weihnachtsbaum funkelt.
Meine Mutter und ich treffen die letzten Vorbereitungen. Wir gehen noch die allerletzten Sachen einkaufen. Leider bekommen wir es jedes Jahr aufs neue hin, irgendetwas zu vergessen. Dieses Mal sind es die Majo für den Kartoffelsalat und der Senf für die Würstchen. Ich persönlich brauche letzteres nicht so unbedingt, aber mein Opa isst das gerne so.
Also laufen wir nach dem Frühstück noch eben rüber zum Supermarkt und nehmen auch gleich noch ein paar letzte Weihnachtssüßigkeiten mit. Irgendwer hat nämlich schon ordentlich genascht und ich habe da so meinem jüngeren Bruder im Verdacht. Vielleicht bin ich auch etwas mit schuld. Aber hey.. wer kann bei Marzipanbrot und Lebkuchen schon wiederstehen. Leider sind viele Sachen schon leer, aber wir nehmen was wir kriegen können. Für meinen Freund nehme ich auch gleich noch einen leckeren Milka Weihnachstmann mit. Er liebt die total. Den werde ich zu seinem Geschenk dazu packen, welches ich ihm morgen mitbringe, wenn wir uns sehen.
Zu Hause angekommen stellen wir fest, dass mein Bruder auch endlich aus dem Bett gefallen ist. Deshalb kann er uns gleich mal helfen die Kartoffeln zu schälen.
Während die Kartoffeln vor sich hinköcheln stellen wir endlich den Weihnachtsbaum auf. Ok also er steht schon seit gestern Nachmittag. Die Äste müssen sich ja immer noch aushängen. Aber jetzt endlich schmücken wir ihn auch. Als erstes die LED Kerzen. Die sind wirklich super. Mein Bruder macht in jeder Kerze eine Batterie rein und reicht sie mir damit ich sie am Baum befestigen kann. Super Arveitsaufteilung. Derweil sortiert meine Mutter die Kugeln und such die Baumspitze raus. Nachdem nun die Kerzen alle dran sind kommen die Kugeln dazu. Wir haben wirklich schöne Kugeln finde ich. Nicht kunterbunt sondern silberne und rote. Dazu haben wir kleine Glöckchen die wir an die oberen Äste hängen und auch kleine Figuren, wie einen Weihnachtsmann und einen Engel. Die gesellen sich zu den Glöckchen und haben alles im Überblick. Zum Schluss kommt die Spitze oben rauf. Aber irgendwas fehlt noch. Ja klar. Das Lametta. Und schwups ist der Weihnachtbaum fertig geschmückt.
Den restlichen Tag verbringen wir damit den Kartoffelsalat fertig zu machen und die letzten Sachen weg-/aufzuräumen. Am späten Nachmittag so gegen 16 Uhr legen wir unsere Geschenke unter den Baum. In knapp einer Stunde kommt unsere Familie. Das heißt ein Teil. Also mein Opa kommt, genauso wie meine Tante, ihr Mann und ihre kleine Tochter. Ich freu mich schon so auf sie. Sie ist ein kleiner Engel. Bis sie alle bei uns sind kuscheln wir drei uns auf die Couch und fangen einen Weihnachtsfilm an.
Kurz nach 17 Uhr klingelt es das erste Mal an der Tür. Nach und nach treffen alle bei uns ein. Inzwischen ist es schon dunkel draußen und der Weihnachtsbaum erstrahlt im vollen Glanze. Die Weihnachtsmusik und der Duft von Plätzchen erfüllen die Wohnung.
Wir deken in ruhe den Tisch und fangen an zu essen. Der Salat ist und wirklich gut gelungen. Zum Glück konnte ich meine Mutter überreden ihn selbst zu machen und nicht den fertigen zu kaufen.
Nachdem wir alle fertig sind mit essen springt meine Cousine aufgeregt auf und ruft: Jetzt die Geschenke!!
Also machen wir uns über die Geschenke her. Vor allem die kleinste freut sich riesig und ist für den Rest des Abends beschäftigt.
Wie anderen machen es uns am Tisch bequem und beginnen mit den Brettspielen.
Auf einmal scheint mein Opa sehr traurig. Ich kann ihn verstehen. Es ist das erste Weihnachten ohne meine Oma. Sie hat wirklich gerne dieses einen Spiel mit und gespielt.
Leider konnten wir auch nicht an ihr Grab gehen um eine Kerze für sie anzuzünden. Sie hat ein anonymes Grab. Das heißt sie liegt eingeäschert in einer Reihe mit anderen und man kann keine Blumen pflanzen oder eine Grabstein pflegen. Es ist irgendwie schade, aber ich habe heute morgen eine Kerze auf dem Balkon für sie angezündet und sie brennt dort draußen immer noch neben einem Bild von ihr.
Leider hatte ich zu letzt auch nicht das beste Verhältnis zu meinen Großeltern. Nach Omas tot haben mein Opa und ich uns wieder etwas angenähert, aber mit meiner Oma habe ich sehr lange Zeit vor ihrem Tot nicht mehr gesprochen, obwohl ich sie tief im Herzen doch lieb hab.
Während wir spielen und reden und trotzdem viel Spaß haben wird die Luft irgendwie immer wärmer. Die Liebe der Familie liegt ganz offensichtlich in der Luft. Ich beschließe das Fenster ein wenig aufzumachen, damit die Luft etwas abkühlen kann. Als ich mich wieder umdrehe zu meiner Familie scheinen die Lichter alle irgendwie heller und wärmer. Plötzlich klopft etwas von draußen gegen die Balkontür und alle erschrenken sich. Bis auf meine Cousine. Als ich mich zum Balkon umdrehe glaube ich meinen Augen nicht. Dort draußen steht ein Engel und er sieht aus wie meine Oma.
Also er ist nicht so der Typische Engel mit Federflügeln und Heiligenschein. Es ist eher so, dass dort draußen meine Oma steht und sie ein warmer und heller Schein umgibt. Und siebist auch nicht ganz da. Es scheint ein wenig so als ob sie etwas durchscheinend zu sein scheint.
Sie lächelt uns an und drückt ihre Hand gegen die Scheibe. Ich zögere kurz und will dann die Tür öffnen, aber sie schüttelt nur den Kopf und lächelt und der reihe nach weiter an. Zum Schluss bleibt ihr Blick an mir hängen. Sie legt ihre Hand auf die Stelle an der ihr Herz ist. Ich mache diese Bewegung automatisch nach und spüre wie ein Strom von Liebe im mich strömt. Ich bin so erfüllt von diesem Gefühl, dass das Gefühl der Trauer komplett verschwindet. Ich flüstere: Ich werde dich niemals vergessen und jedes Jahr zu Weihnachten stelle ich dir eine Kerze hin, damit du im Dunkeln den Weg zu uns findest.
Sie sieht mich weiterhin an und lächelt mir glücklich zu. Sie drückt ihre Hand auf ihren Mund und wirft uns allen einen Luftkuss zu.
Danach dreht sie sich um und verschindet dort hin wo sie hergekommen war. Ins nichts.
Ich werde sie vermissen, aber ich weiß jetzt was ich vorher nur geahnt hatte: sie ist dort irgendwo und ist für uns da.
Meine Oma ist jetzt ein Engel.
Ich drehe mich zu meiner Familie um und lächle sie genauso an wie es meine Oma eben getan hat. Alle sehen genauso aus wie ich mich fühle. Sie sind zufrieden und glücklich und voller Liebe.
Und ich weiß in genau diesem Moment, dass wir alle immer füreinander da sein werden. Ganz egal was passiert und wie sehr wir uns gestritten haben. Egal ob im Leben oder danach. Wir sind eine Familie auf immer und ewig.